Im Fall «Tweet» von Jean-Luc Addor
In seinem Urteil vom 27. April 2020, zugestellt an die Parteien am folgenden Tag, hat das Kantonsgericht die Berufung von Jean-Luc Addor gegen das ihn betreffende Urteil des Bezirksgerichts Sion vom 23. Mai 2017 abgewiesen.
Jean-Luc Addor ist folglich wegen Rassendiskriminierung im Sinne von Art. 261'Dis Abs. 1 StGB schuldig gesprochen und zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen a je Fr. 300.- mit einer Probezeit von 2 Jahren, verbunden mit einer unbedingten Busse von Fr. 3'OOO.-, bzw. bei schuldhaftem Nichtbezahlen ersatzweise zu einer Freiheitsstrafe von 10 Tagen, verurteilt worden. Im Übrigen wurden ihm vollständig die Verfahrenskosten auferlegt.
Das Kantonsgericht begründete, dass Jean-Luc Addor - eine Person des öffentlichen Lebens mit einer gewissen Berühmtheit und bekannt für seine islamfeindlichen Ansichten, welche in den Wochen zuvor im Internet weiterverbreitet und wiederholt aufgegriffen worden waren - durch das «Posting» des Kommentars «On en redemande !» auf seinen Twitter- und Facebook-Konten, kurz nachdem ein Artikel über eine tödliche Schiesserei in einer Moschee im Kanton St. Gallen in der digitalen Ausgabe der kostenlosen Tageszeitung «20 Minuten» erschienen war, eine Ausdrucksweise verwendet hat, deren Brutalität und Prägnanz durch einen weniger erfahrenen Durchschnittsleser wortwörtlich und undifferenziert verstanden werden konnte. Da sich dieser Kommentar ausserdem auf eine Tötung bezogen hat, die in direktem Zusammenhang mit einer Kultstätte stand und die jeder unmittelbar mit der islamischen Religion und ihren Anhängern in Verbindung brachte, war es offenkundig, dass jeder uninformierte Durchschnittsleser eine Verbindung zwischen dem strittigen Kommentar und den notorischen islamfeindlichen Meinungen seines Autors herstellen würde oder diese mit anderen Worten so verstanden hätte, dass sich seine Äusserungen gegen alle Menschen des muslimischen Glaubens richteten.
Er formulierte somit eindeutig einen Ansporn zum Hass gegen eine Gruppe von Menschen aufgrund ihrer religiösen Zugehörigkeit. Darüber hinaus wählte er eine Formulierung, die wörtlich genommen in besonders brutaler Weise einen Aufruf darstellte, einen Mord in einer Moschee zu wiederholen, während er - obwohl erfahrener Anwalt und Politiker - darauf verzichtete, auch nur die geringste sprachliche Vorsicht walten zu lassen, damit auch ein uninformierter Leser dies als zweideutige Botschaft hätte auffassen können. Es muss daher angenommen werden, der Verurteilte hat in Kauf genommen, dass letzteres auch wortwörtlich hätte verstanden werden können und dass er folglich eventualvorsätzlich gehandelt hat.
Sitten, 29. April 2020 Kantonsgericht Wallis
In dieser Angelegenheit werden vom Kantonsgericht keine weiteren Informationen oder Kommentare abgegeben.