Reportage3. Rhonekorrektion - Ein Projekt im Herzen der kantonalen Verwaltung

Am Fusse der Brücke zwischen Visp und Lalden, am nördlichen Rhoneufer, befindet sich das Baubüro, in dem die Oberwalliser Sektion des kantonalen Amts Rhonewasserbau untergebracht ist. Während der Sektionsleiter Derk Ottenkamp und der Objektverantwortliche Daniel Hersberger zwischen Lalden und dem Büro in Sitten hin- und herpendeln, ist dies der ständige Arbeitsort der beiden Oberbauleiter David Miesch und Maurizio Aquilino. Ein Arbeitsplatz steht derzeit noch frei. Hier soll schon bald ein weiterer Ingenieur seine Arbeit aufnehmen, wie Derk Ottenkamp erklärt. Zugleich holt er eine Karte und breitet diese auf dem Sitzungstisch aus.

 

 

Auf diesem Stück Papier sind die einzelnen Etappen der prioritären Massname Visp eingezeichnet. «Dieses Jahr sind wir bei den Bauarbeiten zur Sicherung des Industrie- und Siedlungsgebiets Lalden-Visp-Baltschieder einen entscheidenden Schritt vorangekommen. Eine Fläche von insgesamt 160 Hektaren innerhalb der Bauzonen ist jetzt vor Hochwasser geschützt», sagt Ottenkamp. Das heisst ganz Visp mit Ausnahme von Visp West. «Auf den Flächen der Lonza entlang der Rhone entsteht unter anderem ein biotechnologisches Hightech-Zentrum der Lonza und Sanofi.» Auch die neue Eissportarena liegt in der nun gesicherten Zone. Wie der Sektionsleiter präzisiert, wären diese Bauten ohne die 3. Rhonekorrektion überhaupt gar nicht erst möglich gewesen.

Der Wasserlauf erlangt in einer solchen Aufweitung einen Teil seiner natürlichen Dynamik wieder.

Die Arbeiten am Standort Visp, der aufgrund des 3 Milliarden Franken hohen Schadenpotenzials als prioritäre Massnahme gilt neigen sich bald dem Ende zu.

 

 

 

Maurizio Aquilino zeigt mit dem Finger auf der Karte auf die letzte Etappe der Arbeiten, die diesen Herbst am rechten Flussufer bei Baltschieder wieder aufgenommen wird. Zwischen der oberen und unteren Baltschiederbrücke ist eine punktuelle Aufweitung geplant. «Der Wasserlauf erlangt in einer solchen Aufweitung einen Teil seiner natürlichen Dynamik wieder. Dadurch werden die Lebensräume im Wasser und vor allem im Uferbereich reichhaltiger. So entsteht ein artenreiches Naturgebiet», weiss Aquilino.

 

 

 

 

Bis spätestens Ende nächsten Jahres solle dieser Abschnitt fertig gestellt sein – dann fehlt noch die Realisierung des Abschnitts auf Höhe der Gamsamündung bis zur Brigerbadnerabzweigung. «Es keimt ab und an Widerstand aus der Bevölkerung auf. Da gibt es nur eines: den Dialog suchen und antizipieren.» Natürlich würde er auch das Argument immer wieder mal hören, dass es bald keine Gletscher mehr gebe und dementsprechend auch kein Hochwasser, was eine Rhonekorrektion überflüssig mache. Dabei entstehe Hochwasser nicht durch die Gletscher, sondern vor allem durch heftige Niederschläge. «Wenn es keine Gletscher mehr gäbe, hiesse das, dass sich das Klima erwärmt hat. Dies hätte zur Folge, dass die Rhone noch mehr Hochwasser führen würde, weil ein grösserer Teil der Niederschläge dann als Regen statt als Schnee fiele.»

 

Bei Widerstand gibt es nur eines: den Dialog suchen und antizipieren.

 

 

 

 

 

Die Bauleiter stehen in regelmässigem Kontakt mit der Bevölkerung. «Oft können wir die Wünsche und Anliegen erfüllen, aber manchmal auch nicht. Denn nicht alles hängt von uns ab. Es gibt rechtliche und finanzielle Beschränkungen, die wir respektieren müssen.» Bei so einem grossen Projekt sei es halt schwierig, jedem einzelnen Anliegen gerecht zu werden.  «Generell können wir aber sagen, dass die Akzeptanz gegenüber dem Projekt der 3. Rhonekorrektion im Oberwallis grösser geworden ist. Die Bevölkerung ist seit den Hochwassern 1993 und 2000 stärker sensibilisiert, ausserdem erkennt diese auch eine Aufwertung des Landschaftsbilds», führt der Oberbauleiter weiter aus.

 

Die Akzeptanz gegenüber dem Projekt der 3. Rhonekorrektion ist im Oberwallis grösser geworden.

 

 

 

 

 

Wenig später stehen wir vor dem Büro am Rhoneufer. David Miesch zeigt auf eine Hochspannungsleitung und eine Gasleitung, die vor Beginn der Arbeiten verlegt werden mussten. «Bevor die eigentlichen Arbeiten beginnen, gibt es verschiedene Faktoren, die wir berücksichtigen müssen.» An diesem Punkt kommen zahlreiche andere Dienststellen ins Spiel. «Als Arbeiter auf Teile der alten Mauern der früheren Rhonekorrektion stiessen, haben wir die kantonale Dienststelle für Hochbau, Denkmalschutz und Archäologie hinzugezogen. Diese hat daraufhin über das bauliche Erbe befunden», definiert Miesch. Weitere Dienststellen der kantonalen Verwaltung seien mitinvolviert, wenn es etwa es um die Sanierung von belasteten Standorten, die Entwicklung eines Nebenflusses oder Kanals, die Installation von Fischverstecken oder die Bewässerung von landwirtschaftlichen Flächen gehe. Die 3. Rhonekorrektion ist also sozusagen ein Projekt im Zentrum der kantonalen Verwaltung.

Mehrere erfolgreiche Meilensteine

Ein so grosses Projekt wie das der 3. Rhonekorrektion hat immer wieder mit Herausforderungen zu kämpfen. Zum einen sind die Ansprechpartner zahlreich und aus verschiedenen Bereichen, wodurch sich die jeweiligen Anforderungen wiederum stark unterscheiden. Beispielsweise in Bezug auf die Landwirtschaft, die Natur und die Umwelt. Die Ausarbeitung der öffentlich aufgelegten Dossiers erfordert daher ein Abwägen der Interessen, so dass Entscheide so rasch wie möglich getroffen werden können. Der Staatsrat hat deshalb beschlossen, für jede prioritäre Massnahme der 3. Rhonekorrektion ein Projektkomitee einzusetzen, das sich insbesondere aus Mitgliedern der Regierung, dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) und aus den Präsidenten der betroffenen Gemeinden zusammensetzt.

Dank der Integration der vielen einzelnen Interessensgruppen konnten die Projektverantwortlichen bisher bereits mehrere Erfolge verbuchen. «Die Verabschiedung des «Generellen Projekts» im Jahr 2016 durch die Waadtländer und Walliser Regierungen acht Jahre nach deren öffentlichen Vernehmlassung und nach zahlreichen Gutachten, Expertisen und Debatten war ein Meilenstein», blickt Amtschef Tony Arborino zurück. «Eine der grössten Herausforderungen, die wir gemeistert haben und welche der 3. Rhonekorrektion eine solide Grundlage gegeben hat, war zweifellos die Volksabstimmung im Juni 2015. An diesem Tag sprachen sich 57 Prozent der Walliser für die 3. Rhonekorrektion aus, indem sie die Schaffung eines Finanzierungsfonds von 60 Millionen Franken befürworteten. Dadurch konnten die mangels finanzieller Mittel blockierten Arbeiten in Visp wieder aufgenommen werden.»

 

Die Verabschiedung des generellen Projekts im Jahr 2016 war ein Meilenstein.

 

Inzwischen wurden mehrere weitere entscheidende Schritte erreicht, darunter insbesondere die Verabschiedung des Gesetzes über die Finanzierung der 3. Rhonekorrektion durch den Grossen Rat im Herbst 2018. Der Amtschef weiss aber auch, dass zur Zeit schon ein weiterer wichtiger Termin ansteht. «Die Bundeskammern werden über die Vergabe eines Rahmenkredits in Höhe von 1,022 Milliarden Franken entscheiden, mit dem die zweite Phase der Arbeiten finanziert werden soll.» Der Nationalrat hat dieser am 9. September einstimmig mit einer Enthaltung zugestimmt. Die endgültige Entscheidung wird vom Ständerat gefällt, der sich diesen Winter mit dem Dossier befassen wird.

Tony Arborino ist sich bewusst, dass ein Projekt dieser Grösse, das grösste seiner Art in der Schweiz, bei Politikern, den Medien und der Öffentlichkeit besondere Aufmerksamkeit erfährt. «Wir stellen fest, dass die Kritik am häufigsten auf die Komplexität und den Umfang des Projekts zurückzuführen ist. Ganz zu schweigen davon, dass sich das Projekt stetig weiterentwickelt und mit neuen Bedingungen und Herausforderungen konfrontiert wird.»

 

 

In diesem Zusammenhang sei Kritik nicht immer einfach zu handhaben. Gerade weil die Mitarbeiter des Amts für Rhonewasserbau für die Umsetzung der 3. Rhonekorrektion zum Wohle der Walliser Bevölkerung ihr Bestes geben würden. «Der Wunsch, mit unserer Arbeit die Rhoneebene zu sichern und gleichzeitig etwas an der Erschaffung des Wallis von morgen beizutragen, ist der treibende Motor unseres Teams», unterstreicht Arborino.

 

Kritik ist nicht immer einfach zu handhaben.

 

 

 

Arbeiten im ganzen Kanton

Aktuell werden im Mittel- und Unterwallis mehrere Arbeiten zur Dammverstärkung ausgeführt. Dadurch können Wohngebiete in Ufernähe, die aufgrund der sehr konzentrierten Wassergeschwindigkeit im Falle eines Hochwassers direkt von einem Dammbruch bedroht sind, gesichert werden. So wurde in Fully beispielsweise die Installation einer 4,5 Meter langen Metallwand, eine sogenannte Spundwand, auf einer Fläche von 3,5 Kilometern bereits abgeschlossen. Mehr als 500 Menschen werden durch diese geschützt sein.

 

Der Staatsrat hat die 3. Rhonekorrektion als Priorität eingestuft. Damit verpflichtete er sich, die Arbeiten rasch durchzuführen. Zu diesem Zweck hat er eine Struktur geschaffen, die es ihm ermöglicht, ein Projekt in diesem Umfang durchzuführen. Am 1. Januar 2017 wurde so das kantonale Amt Rhonewasserbau geschaffen. Heute sind es etwa dreissig Personen, die die finanziellen, administrativen und technischen Aspekte verwalten und täglich zum Schutz von Mensch und Eigentum bei Flussüberschwemmungen beitragen. Sie leiten zudem mehr als 100 Personen, die für mandatierte Büros und Unternehmen arbeiten.

 

 

Ähnliche Arbeiten werden im November bei Massongex beginnen, wo eine 9,5 Meter tiefe Spundwand über einen 1,2 Kilometer langen Abschnitt in den Damm eingerammt wird. An diesem Standort werden künftig fast 400 Personen geschützt sein. Ähnliche Projekte werden in Kürze in Granges und im Gebiet Les Ronquoz in Sitten beginnen und damit insbesondere die bereits in Port-Valais, Vouvry, Illarsaz, Collombey, Aproz und Sitten im Gebiet Vissigen durchgeführten Arbeiten ergänzen.

 

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