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Porträt

null Guy Jacquemet : Supporter-Papa eines Schweizermeisters

PorträtGuy Jacquemet : Supporter-Papa eines Schweizermeisters

Das lange Warten hat ein Ende

Der 27. April 2023 ist für die Jacquemets ein ganz besonderer Tag. An diesem Abend feierte Arnaud, der jüngste Sohn der Familie, mit Genf-Servette verdient den Gewinn der Meisterschaft der National League. Im letzten Spiel der Playoff-Finalserie setzten sich die Genfer Adler gegen den EHC Biel durch und holten sich damit den ersten Meistertitel in der 118-jährigen Klubgeschichte des Genfer Stadtklubs. Auch für Arnaud war es der erste Titel seiner Profikarriere in der National League.

Nachdem er mit Kloten 2009 und 2011 und mit Genève-Servette 2021 dreimal als Verlierer vom Platz musste, klappte es im vierten Anlauf endlich mit dem Sieg. Ein grosser Moment auch für Guy, der vor dem Fernseher mitfieberte. «Natürlich gingen die Emotionen hoch», erinnert er sich. «Für Arnaud war der Titel eine grosse Befreiung. Ich habe mich riesig für ihn gefreut, nicht für mich.»

Ich habe mich riesig für ihn gefreut, nicht für mich.
Arnaud Jacquemet © GSHC
Arnaud Jacquemet ©GSHC

Mitfiebern vor dem Fernseher

Allerdings zog es Guy vor, das Finalspiel bei sich zu Hause im TV und nicht vor Ort im Hexenkessel der Eishalle Les Vernets zu verfolgen. Im Allgemeinen ist er nicht oft auf der Tribüne der Genfer anzutreffen: «Dank Grossaufnahmen und Zeitlupe bin ich bei einer TV-Übertragung näher dabei, als wenn ich in der Halle bin.» Aber ob Finalspiel oder nicht: Als eingefleischter Fan ist Guy immer voll mit dabei: «Ich brenne vor Ungeduld, springe auf, schreie mit meiner Frau den Bildschirm an. Meine Nerven sind zum Zerreissen gespannt, weil ich Arnaud das Beste wünsche.»

Aber natürlich hat auch eine TV-Übertragung ihre Schattenseiten: Aus der Distanz nehmen Zwischenfälle sofort eine ganz andere Dimension an: «In Davos hat Arnaud den Puck einmal ins Gesicht bekommen, als er einen Schuss blocken wollte», erinnert sich Guy. «Er ging zu Boden und das ganze Eis war voller Blut. Dann sitzt du hilflos vor dem Bildschirm und kannst nichts tun. Es ist unerträglich.»

Ob sich Vater und Sohn deshalb nach jedem Match am Telefon kurz austauschen? Das war früher so, als Arnaud für zwei Saisons in Kanada spielte. Mittlerweile aber kaum mehr, auch nicht nach dem Titelgewinn. Für den Vater kein Problem, sondern ein Zeichen des Respekts: «Ich möchte ihn in solchen Momenten nicht stören. Ich meine, das ist sein Beruf. Mein Sohn gehört mir nicht. Er geht seinen eigenen Weg.», so der Papa.

 

Die Qualitäten des Sohnes

Arnaud hat sich seinen Erfolg ganz alleine erarbeitet. So hat sich Guy geschworen, den Erfolg seines Sohnes niemals für sich selbst zu beanspruchen. Er kann solche Trittbrettfahrer nicht ausstehen. Zwar hört man Guy selten, in höchsten Tönen von einem Spieler schwärmen, der Papa weiss aber genau, welche Qualitäten seinen Sohn auszeichnen: «Seine Spielintelligenz, seine Skating-Technik und seine Schnelligkeit sind herausragend. Allerdings fehlt ihm der Killerinstinkt, was ihn zwar menschlich macht, für einen Hockeyspieler aber von Nachteil ist. »

Das Talent von Arnaud Jacquemet wurde schon früh erkannt: Nach seiner Ausbildung beim HC Siders wechselte er mit 15 zu Kloten. Mittlerweile kommt der Mittdreissiger, der zuerst auf der Position des Angreifers und nun als Verteidiger spielt, auf 850 Spiele auf höchster Stufe.

 

Allerdings fehlt ihm der Killerinstinkt, was ihn zwar menschlich macht, für einen Hockeyspieler aber von Nachteil ist.

Wegen der Liebe zum Hockey

Obwohl auch der Papa ein guter Sportler ist, kommt er nicht auf den Palmares des Sohnemanns. Guy war in vielen Sportarten heimisch, darunter im Basketball: «Als ich jung war, spielte ich meist auf der Position des Playmakers, konnte mit meinen 1.83 m aber auch dunken.»

Eishockey hat er aber nie gespielt. «Ich kann mich gerade mal auf den Schlittschuhen halten», lacht er. Einlass in die verschworene Hockey-Welt fand er dank seiner Frau Carol: «Sie war die Tochter des Vereinspräsidenten des HC Lens. In ihrer Familie war Eishockey alles. »

Fan des HC Siders

Durch seine Frau entdeckt Guy seine Leidenschaft für den Eissport. Als Student findet er zum HC Siders und wird Teil der rot-gelben Familie, die von der Osttribüne aus ihr Team anfeuert. Es ist die Zeit der kanadischen Ära, in der Daniel Métivier und Normand Dubé unter dem legendären Trainer Jacques Lemaire ein Tor ums andere schiessen. Nach Guys Ingenieurstudium zog es das frisch verheiratete Paar ins Waadtland – den gelb-roten Vereinsfarben blieben sie aber treu: «Am Dienstagabend fuhren wir jeweils von Lausanne nach Siders, die ersten Jahre sogar noch über die Hauptstrasse, bis dann die Autobahn eröffnet wurde.»

Nachdem die Familie Zuwachs erhielt, zogen die Jacquemets nach Siders, wo der kleine Arnaud mit 4 Jahren erstmals in der Grabenhalle seine Schlittschuhe schnürte. «Auch wenn wir grosse Hockeyfans waren, haben wir Arnaud nie dazu gedrängt, Hockey zu spielen», betont der Papa. Mitte der 90er-Jahre nimmt Guy eine Funktion im Junioren-Vorstand des HC Siders an, bevor er sich später auch kantonal engagiert.

 

Am Dienstagabend fuhren wir jeweils von Lausanne nach Siders, die ersten Jahre sogar noch über die Hauptstrasse, bis dann die Autobahn eröffnet wurde.

Eine verdiente Belohnung

Doch auch nach dem Titelgewinn seines Champions behält Guy einen kühlen Kopf und steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden: «Ehrlich gesagt ist mir persönlich der Titel ziemlich egal.» Alles was zählt ist Arnaud und dass er endlich den Lohn für seine ganze Arbeit einfahren konnte: «Ich gönne es ihm von Herzen, dass er für die ganze Arbeit endlich entschädigt wurde. Man muss ehrlich sein: Das Leben eines Profi-Spielers ist ein echtes Hundeleben. Man schuftet, schwitzt, leidet und jedes Training, jeder Match ist eine Prüfung. Die Karikatur des dümmlichen Hockeyspielers hat rein gar nichts mit der Realität zu tun.»

Start der Meisterschaft

Schon bald geht es in der National League wieder los. Am 15. September beginnt für Genf-Servette die Mission Titelverteidigung. Mit von der Partie Arnaud, der auch dieses Jahr die Nummer 17 trägt. Guy ist zuversichtlich, dass das Team rund um seinen Sohn den Exploit wiederholen kann, fügt aber hinzu: «Vieles hängt aber von der Schwedischen Neuverpflichtung ab. Und wenn man sich die Kader der anderen Teams so anschaut, muss man definitiv die ZSC Lions im Auge behalten», so der Kenner.

Sicher ist aber, dass Guy und seine Frau auch weiterhin vor dem TV mit ihrem Sohn mitfiebern werden. Im Wissen, dass ein weiterer Meistertitel dieses Mal nur ein Bonus wäre.

 

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