Esther Waeber-Kalbermatten
Auf in den nächsten Lebensabschnitt
Nach zwölf Jahren in der Walliser Regierung legt die erste Walliser Staatsrätin ihr Mandat nieder. Wir haben mit Esther Waeber-Kalbermatten zum Abschied über ihre Amtszeit gesprochen. (Interview vom 20. April 2021)
Wie geht es Ihnen heute so wenige Tage vor Ihrem offiziell letzten Tag als Walliser Staatsrätin?
Ich habe mich bereits seit geraumer Zeit damit befasst und entsprechend darauf vorbereitet. Derzeit führe ich letzte Sitzungen mit den Dienstchefs durch, verabschiede mich von Kommissionen und bereite für unsere letzte gemeinsame wöchentliche Staatsratssitzung Dossiers vor. Es gibt immer noch viel zu tun. Aber ich bin dankbar dafür, dass ich so viel erreichen konnte. Es geht mir also entsprechend gut.
Als Gesundheitsdirektorin mitten in einer Pandemie aufzuhören – bereitet Ihnen das Mühe?
Das ganze letzte Jahr war aufgrund der vielen Unbekannten sehr schwierig. Heute wissen wir zwar mehr, aber vieles ist immer noch ungewiss. Mit der Impfung kommt nun aber die Hoffnung. Das Impftempo wird ab Mitte Mai 2021 stark zunehmen, da unser Kanton viele Impfdosen erhalten wird. So sollten bis Ende Juli alle, die es wünschen, geimpft werden können. Es ist davon auszugehen, dass sich der Impfschutz zwei Wochen nach der zweiten Impfung vollständig entfaltet und dieser entsprechend hoch sein sollte. Demzufolge sollten viel weniger Menschen angesteckt werden und sich die Situation verbessern. Wir sehen das heute in den Altersheimen, wo fast alle geimpft sind. Es gibt dort nur noch wenige Erkrankungen und auch fast keine Todesfälle. Es findet also tatsächlich ein Wandel statt. Je mehr Personen geimpft sind, umso höher ist der Schutz und entsprechend früher können wir wieder zu einem normalen Alltag zurückkehren.
Was hat Ihnen während dieser Pandemie persönlich am meisten zugesetzt?
Ich bin der Meinung, dass Politik nicht nur im Büro stattfindet. Ein Austausch mit der Bevölkerung an Podien und Anlässen gehört mit dazu. Dies war im vergangenen Jahr nicht möglich. Doch auch wenn Veranstaltungen, Diskussionsanlässe sowie Musikfeste, Empfänge, usw. ausgefallen sind, hatte ich deshalb nicht wirklich mehr Zeit zur Verfügung. So habe ich aufgrund der Pandemie so viele Mails erhalten wie in all den Jahren nicht. Es fanden viele Gespräche mit dem Kantonsarzt, mit der Dienststelle für Gesundheitswesen wie auch mit meinem Stab statt, auch an Wochenenden. Gerade zu Beginn der Pandemie war diese Zeit sehr intensiv.
Haben Sie bereits einige Projekte im Kopf, die Sie nach Ihrer Zeit in der Regierung realisieren möchten?
Ich lebe im Hier und Jetzt. Das heisst, noch konzentriere ich mich diese letzten Tage voll und ganz auf mein Amt. Was danach alles kommt, ist weitgehend offen. Auf jeden Fall werde ich mich erst einmal an einen anderen Rhythmus gewöhnen müssen. Ich kann mir vorstellen, in einer sozialen oder kulturellen Stiftung oder in einer Nichtregierungsorganisation mitzuwirken. Zudem möchte ich für einige Wochen meinen Sohn und seine Familie in den USA besuchen. Damit verbunden habe ich mir vorgenommen mein Englisch zu verbessern.
Wie war das für Sie all die Jahre so als einzige Frau in einem Männergremium? Haben Sie das Gefühl, Sie mussten mehr die Ellbogen benutzen um etwas durchzusetzen als Ihre männlichen Kollegen?
Ich war während meiner zwölf Jahre Mitglied von drei verschiedenen Regierungskompositionen und die Diskussionen waren stets respektvoll. Das Wichtigste ist, dass jede Person die andere in ihrer Art, ihrem Wesen und ihren Werten respektiert. Zu Beginn war es schon eine Umstellung, da auch alle meine Dienst- und Amtschefs bei meinem Amtsantritt Männer waren. Dennoch war das Arbeitsklima sehr gut.
Heute gibt es in meinem Departement zwei Dienstcheffinnen und in allen Kaderpositionen gibt es kompetente Frauen, sei dies als Adjunktin, Amtschefin oder Sektionschefin.
Ab dem 1. Mai 2021 ist der Walliser Staatsrat wieder erneut ein reines Männergremium. Wie stehen Sie dazu?
Dies war bereits längere Zeit absehbar. Das bedauere ich. Gleichzeitig freut mich, dass im neuen Parlament 45 Grossrätinnen und 65 Suppleantinnen sitzen, auf jeweils 130 Sitze. Das ist ein klares Zeichen, dass Männer und Frauen mehr Frauen in der Politik sehen wollen. Der Grosse Rat wird sicher ein anderer sein, die Diskussionen werden vielfältiger. Die Frauen müssen sich einbringen, gleichberechtigt und zu allen Themen. So ist es möglich, dass in absehbarer Zeit wieder eine oder mehrere Frauen in den Staatsrat einziehen.
Würden Sie rückblickend sagen, Sie hätten gerne etwas anders gemacht?
Rückblickend kann man gewisse Dinge immer anders entscheiden. Wichtig ist, dass der Entscheid im jeweiligen Moment basierend auf den vorhandenen Informationen stimmig war.
Wie gehen Sie mit Kritik um?
Ich habe immer versucht, Kritik ernst zu nehmen und mich zu hinterfragen. In all den Jahren war es mir stets wichtig, Prioritäten zu setzen. Dies hat unwillkürlich zur Folge, dass nicht alle die Entscheide gutheissen.
Gibt es einen Moment, der Ihnen aus Ihrer Amtszeit besonders in Erinnerung geblieben ist?
Besondere Momente gab es viele. Es sind für mich jene, in denen gemeinsam mit dem Staatsrat und Parlament wichtige Entscheide im Sozialen, im Gesundheitswesen und in der Kultur gefällt wurden, die langfristig von grosser Bedeutung sind. Dann gibt es Bilder, an die ich mich immer erinnern werde. Etwa das Busunglück in Siders. Besonders die Begegnungen mit den Eltern der verstorbenen Kinder oder als wir in Belgien an der Beerdigung teilnehmen und mit einem überlebenden Kind im Krankenhaus sprechen durften. Auch die Reise nach Rom, als wir als offizielle Walliser Delegation an der Vereidigung der Schweizer Garde teilgenommen haben, ist eine bleibende Erinnerung
Sie haben während Ihrer Regierungszeit viele Menschen getroffen. Welche Begegnung hat Sie am meisten geprägt?
Ich möchte da nicht eine konkrete Person nennen, sondern die Personen, mit denen ich am meisten zusammengearbeitet habe. Ich denke da an die Dienst-, Amts- und Sektionschefs in meinem Departement und an meinen engsten Stab. Durch die vielen Diskussionen und intensiven gemeinsamen Auseinandersetzungen mit Themen entstand ein kreativer Prozess. So konnte ich diese Personen auch auf persönlicher Ebene näher kennenlernen.
Was hat sich in diesen zwölf Jahren beim Staat Wallis am meisten verändert?
Die Arbeitsweise hat sich enorm geändert. Anstelle von Papier arbeiten wir heute digital, entsprechend hat das Tempo zugenommen. Auch die Kommunikation ist heute dank dieser erleichterten departementsübergreifenden Zusammenarbeit proaktiv. Dazu kommt, dass möglichst alle Berichte, Medienmitteilungen, etc. in beiden Sprachen verfasst werden. Zweisprachigkeit ist einerseits eine grosse Herausforderung, zumal vieles sehr schnell übersetzt werden muss, aber andererseits auch eine Bereicherung und trägt zur Kohäsion in unserem Kanton bei.
Kurz: Die Kantonsverwaltung kann sich mit der Privatwirtschaft messen, die Qualität der geleisteten Arbeit ist sehr hoch.
Zum Abschluss: Findet Ihr Nachfolger Mathias Reynard einen aufgeräumten Schreibtisch vor?
Ja, ich habe jetzt seit über einem Jahr daraufhin gearbeitet. Trotz der Pandemie bin ich mit den Dossiers à jour. In meinem Departement sind die Gesetze praktisch in jeder Dienststelle auf dem neusten Stand. Es kommen sicherlich wieder neue Herausforderungen hinzu, aber mit dieser Ausgangslage wird sich mein Nachfolger rasch in die Dossiers einarbeiten können.