Agenda 2030
Programm für nachhaltige Entwicklung
Der Staatsrat hat sein Engagement für eine nachhaltige Entwicklung mit der Annahme der Strategie 2030 der nachhaltigen Entwicklung (Agenda 2030) bekräftigt. Die Umsetzung der Walliser Agenda 2030 erfolgt durch ein jährliches Programm für nachhaltige Entwicklung, das die Regierung im November verabschiedet hat. Dieses Programm definiert die Massnahmen, die im nächsten Jahr umgesetzt werden sollen. Unter anderem die Förderung der Elektromobilität im Kanton oder die Ausarbeitung eines Klimaplans.
Eine dieser Massnahmen - die Einführung einer Governance im Bereich der Nachhaltigkeit – betrifft auch die Kantonsverwaltung. Das Programm für nachhaltige Entwicklung 2020 sieht die Schaffung eines Netzwerks von Delegierten vor, die das Bewusstsein der Mitarbeitenden für die Agenda 2030 Wallis schärfen und die Instrumente zur Bewertung der Nachhaltigkeit bekannt machen sollen. Diese Delegierten sind künftig Ansprechpartner und Bezugspersonen für alle Schritte im Zusammenhang mit der Agenda 2030. Sie identifizieren Projekte, die der Strategie entsprechen, ermutigen Kollegen, ihre Idee bei Projektaufrufen einzureichen und kreieren neue interne Prozesse. Besondere Vorkenntnisse braucht es für diese Aufgabe keine, lediglich ein besonderes Interesse an einer nachhaltigen Entwicklung. Die Dienstchefs werden ihre Delegierten bis Ende Jahr ernennen.
Demnächst wird ausserdem ein Intranet online geschaltet, das alle für die reibungslose Umsetzung der Agenda 2030 erforderlichen Dokumente zusammenfasst. Darüber hinaus ist die Einrichtung einer Mini-Webseite zur Agenda 2030 geplant, um den Austausch bewährter Verfahren zu fördern.
Beispielhafte, wegweisende Projekte
In einem weiteren Punkt des Programms für nachhaltige Entwicklung wurden die Dienststellen des Staates Wallis aufgefordert, im Rahmen einer Projektausschreibung Vorschläge einzureichen. 20 Massnahmen wurden ausgewählt und mit einem Gesamtbudget von einer Million Franken in das Programm für nachhaltige Entwicklung 2020 integriert. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Dienststelle für Sozialwesen haben sich besonders ins Zeug gelegt und 17 originelle Projekte ausgearbeitet. Zehn dieser Ideen wurden der operativen und strategischen Direktion (OSD), die die Agenda 2030 steuert, vorgestellt. Sechs haben letztendlich den Zuschlag erhalten. Zwei dieser Projekte möchten wir Ihnen näher vorstellen.
Migrantinnen als Quelle der Bereicherung
Das von der Dienststelle für Sozialwesen eingereichte Projekt «Lebensstoffe» zielt darauf ab, das handwerkliche und künstlerische Textilgeschäft im Kanton wiederzubeleben. Der Erwachsenenbildnerin Maria Garrido Otoya kam die Idee während eines Französischkurses des Amts für Asylwesen, den sie Frauen aus dem Nahen Osten und aus Afrika gibt. «Ich trug eines Tages eine handgewebte Weste, die ich Peru gekauft habe. Eine meiner Schülerinnen aus Afghanistan sprach mich darauf an und meinte, dass sie so etwas auch herstellen könnte.» Daraufhin habe sich eine Türkin gemeldet, die mit der Kunst des Teppichknüpfens vertraut sei. «Da wurde mir erstmals bewusst, dass bei diesen Frauen ein enormes Wissen vorhanden ist, von dem wir im Wallis profitieren könnten. Dass wir unser traditionelles Textilhandwerk aufwerten und mit den jahrhundertealten Traditionen der Migrantinnen verbinden könnten.» Ausserdem könne man diese Frauen so wirtschaftlich und sozial integrieren und ihnen langfristig eine finanzielle Autonomie ermöglichen, sagt Garrido Otoya. Die Weberinnen bräuchten dafür aber unternehmerische Fähigkeiten, und genau dort setzen die im Rahmen der Agenda 2030 bereitgestellten finanziellen Mittel an.
Gemeinsam mit Christiane Terrettaz, die ebenfalls beim Amt für Asylwesen tätig ist und der freiwilligen Mitarbeiterin Patricia Altherr hat die gebürtige Kolumbianerin das Projekt ins Rollen gebracht. Derzeit prüfen die Verantwortlichen mögliche Partnerschaften, etwa mit der Stiftung Marie Métrailler, die für eine Wiederbelebung der Weberei in Evolène kämpft. Zu einem späteren Zeitpunkt käme auch eine Zusammenarbeit mit Valais/Wallis Promotion, lokalen und saisonalen Märkten und Managementausbildnern in Frage. Darüber hinaus würde auch mit Wollnutztierzüchtern und Faserpflanzenerzeugern Kontakt aufgenommen werden. «Das Konsumverhalten hat sich verändert. Die Menschen hinterfragen mehr und achten wieder vermehrt auf nachhaltige Mode. Sie sind bereit, für solch hochwertige, einzigartige und aus lokalen Rohstoffen hergestellte Kleidungsstücke etwas mehr zu bezahlen», ist Maria Garrido Otoya überzeugt. Jeder könne von diesem Projekt profitieren, weshalb sie fest an ein Gelingen glaubt.
Das Projekt «Lebensstoffe» richtet sich nicht nur an Migrantinnen, sondern auch an Sozialhilfeempfänger und Menschen mit einer Behinderung. Wenn alles planmässig läuft, könnte eine erste Ausbildungswerkstatt im Herbst 2021 starten.
Ein institutionseigener Nutzgarten
Früher besassen die meisten Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Waisenhäuser einen Nutzgarten, der einen Teil ihres Bedarfs an frischem Obst und Gemüse deckte. Im Laufe der Zeit wurde diese Praxis aufgegeben, wodurch zugleich «kleine» Arbeitsplätze verschwanden. Das Projekt der Dienststelle für Sozialwesen sieht vor, diese Praxis durch die Einrichtung eines Obst- und Gemüsegartens auf einer von einer Behörde zur Verfügung gestellten Fläche wiederzubeleben. Der Nutzgarten würde von Sozialhilfeempfängern unter der Aufsicht des Vereins «Les Mains Vertes» bewirtschaftet werden. Dessen Produktion würde anschliessend von der Küche einer Einrichtung, die Bewohner aufnimmt, gekauft werden. Wie Projektleiter Roland Bourdin erklärt, möchte die Dienststelle für Sozialwesen nicht die Rolle des Landwirts einnehmen, sondern aufzeigen, dass die soziale Dimension ein wesentlicher Aspekt des Projekts sei und es sich in erster Linie um ein Integrationsprojekt handle. «Wenn es um nachhaltige Entwicklung geht, ist diese in der Diskussion oft unterbeleuchtet, da diese am schwierigsten zu fassen ist. Soziale Nachhaltigkeit zielt auf ein menschenwürdiges Leben ab. Das heisst, wir möchten einen schönen, einladenden Ort schaffen, wo sich die Arbeiter wohl fühlen und das Gefühl haben, einen wichtigen Beitrag zu leisten.» Die persönliche Lage der am Projekt beteiligten Personen könne dadurch verbessert werden. Profitieren könnten auch die Bewohnerinnen und Bewohner der Partnerinstitution, die lokale und unter nachhaltigen Bedingungen produzierte Lebensmittel erhalten würden.
Derzeit steht das Projekt noch in den Startlöchern. Die Idee sei nicht gewesen, ein bereits vollständig entwickeltes Projekt vorzustellen, sondern dieses mit den ermittelten möglichen Partnern gemeinsam aufzubauen. «Wir warten auf die Antwort der Gemeinde und Burgerschaft Sitten, da diese ein mögliches Terrain haben. Ausserdem haben wir zwei Institutionen angefragt. Das Wohn- und Sonderschulzentrum Cité Printemps in Sitten und das Foyer de la Tour der Stiftung Emera.» Beide würden dem Projekt offen gegenüber stehen. Auch die sozialmedizinischen Zentren des Mittelwallis seien dem Projekt gegenüber positiv eingestellt, da diese für neue Integrationsmöglichkeiten für ihre Begünstigten stets empfänglich seien. «Die Dienststelle für Landwirtschaft ihrerseits würde ebenfalls mit von der Partie sein. Auch wenn deren Interesse am Projekt wohl eher weniger von sozialer, dafür aber von experimenteller Natur ist. Sie könnte etwa neue Techniken in Obst- und Gemüsebau ausprobieren», weiss Bourdin. Im Januar wird es eine erstmals zwischen allen möglichen Partnern eine Zusammenkunft geben. Da das Budget für das Projekt eher klein ist, sind die Verantwortlichen auf das Entgegenkommen der künftigen Partner angewiesen. Viele Fragen würden sich wahrscheinlich erst dann beantworten, wenn man der Realität entgegenblicke, schätzt Roland Bourdin. Wenn das Experiment aber gut anlaufe, sei es durchaus vorstellbar, mit der Zeit die Nutzgärten auf andere Standorte, deren Ausgangslagen ähnlich seien, auszuweiten.