Reportage

Porträt

null Damian Locher - Unterwegs im VW Käfer

PorträtDamian Locher - Unterwegs im VW Käfer

Hunderttausende von Kilometern hat mein Käfer schon hinter sich

Beim Zünden springt der VW Käfer auf Anhieb an, wie frisch ab Werk. Damian Lochers cremefarbener Flitzer hat jedoch seit Ende der sechziger Jahre, seit er bei Volkswagen vom Stapel lief, bereits einiges gesehen. «Hunderttausende von Kilometern hat mein Käfer schon hinter sich», erklärt uns der glückliche Besitzer, «die genaue Zahl weiss ich aber nicht, der Zähler springt nämlich nach 99'999km wieder auf null».
 

Damian Lochers VW Käfer ist seit 1968 im Verkehr. Unter der Haube des Typ-1-Modells steckt ein 1300 cm³-Motor mit einer Leistung von 40 PS. «Er schafft maximal 130 km/h, ich fahre aber lieber langsamer und nie über 100 km/h», erklärt Damian. Die Besonderheit dieses berühmten VW-Modells ist, dass sich der Motor dieses Autos mit Hinterradantrieb im Heck befindet. Ausserdem findet man weder Fahrzeuggurte, noch Kopfstützen, ganz zu schweigen von einem Airbag: der VW Käfer zeugt von einer anderen Zeit.

Die Besichtigung ist zu Ende und es wird Zeit, einzusteigen. Schliesslich ist es Montagmorgen und Damian Locher muss zur Arbeit. Wir nehmen auf dem Beifahrersitz Platz und begleiten ihn von Susten nach Sitten. 

 

Damian hat sich seinem Hobby voll und ganz verschrieben und schreckt auch nicht vor Schmieröl an den Fingern zurück: «Um alles Mechanische kümmere ich mich selbst». So hat der Autodidakt bereits drei Käfer wieder zurechtgemacht. Er baut den Motor aus, wechselt die Kupplung und repariert die Trommelbremsen – nichts hält ihn auf. Bei jeder Reparatur hält er sich an seine Faustregel: Die Arbeit muss immer haargenau gleich ausgeführt werden. «Dieses Fahrzeug fährt mit einem Originalmotor, zu 100 %. Wenn ich ein Auto zurechtmache, achte ich darauf, es so authentisch wie möglich zu lassen und suche nach den Originalteilen». Auch bei einer Panne gibt Damian nicht auf: «Ich kann zig Stunden damit verbringen, ein Problem zu lösen».

Um alles Mechanische kümmere ich mich selbst. Ich kann zig Stunden damit verbringen, ein Problem zu lösen.

Seine Fans sind sich einig: Der Klang eines VW-Käfer-Motors ist unverwechselbar. Es ist kein Röhren oder Brummen, nein, es ist ein Schnurren. Damian ist von diesem Geräusch besonders angetan, Kindheitserinnerungen kommen auf: «Früher gab es keine Kindersitze, also haben mich meine Eltern auf die hintere Sitzbank gelegt. Die Wärme des Motors und die regelmässige Vibration machten mich schläfrig». Auf der Fahrt durch den Pfynwald nach Sitten kommen wir in den Genuss dieser klangvollen Geräuschkulisse – in der Tat sehr beruhigend.

«Rein vom Motorengeräusch her kann ich einen VW Bus von einem Käfer unterscheiden und das Modell erraten», verrät uns Damian. «Mit geschlossenen Augen erkenne ich einen VW Bus T3 oder einen T2». Der Mythos VW Käfer hört also nicht bei seinem unverkennbaren Äusseren auf.

Leidenschaftlich ist er auf jeden Fall, Sammler jedoch keineswegs: «Ich fahre meinen VW Käfer immer und bei jedem Wetter». Damian nutzt seinen Typ 1 für den Arbeitsweg, wie auch heute, aber auch um auf die Alpe zu fahren. Seiner Ansicht nach ist ein VW Käfer – und selbst ein alter – in erster Linie ein Auto, dessen einziger Zweck es ist, gefahren zu werden. «Er hat seine Beulen und Kratzer. Nach über fünfzig Jahren hat dieses Auto einiges erlebt und das sieht man auch. Es ist ein Auto, das lebt.»

Der Oberwalliser hat jedoch keineswegs den Hang dazu, seinen Wagen zu verherrlichen oder gar zu vermenschlichen. So würde er seinem Käfer auch nie einen Spitznamen geben. Auch Herbie, wie der Käfer in der Hauptrolle der gleichnamigen Walt Disney-Filmserie, wäre nichts für ihn.

Damian Locher ist eidg. diplomierter Wirtschaftsprüfer und arbeitet in der Kantonalen Finanzverwaltung. Rechnungen und Budgets bestimmen seinen Alltag. Sucht man nach dem Zusammenhang zwischen Zahlen und Mechanik, lautet die Antwort des Adjunkten des Dienstchefs: «Die Logik! Ich versuche im Büro genauso wie in meiner Werkstatt zu verstehen, und an beiden Orten hat alles eine Erklärung. Die Funktionsweise eines Motors folgt ebenso einer gewissen Logik».

Als Sohn eines Chauffeurs und als Bruder eines Mechanikers ist Damian dennoch nach wie vor von seiner beruflichen Wahl überzeugt.

Mein Vater hätte es gern gesehen, dass ich Mechaniker geworden wäre. Aber meine wahre Leidenschaft sind die Zahlen. In der Mechanik brauche ich Herausforderungen, und wenn ich keine harte Nuss zu knacken habe, wird mir schnell langweilig.

 

Bei der Ausfahrt Sitten Ost verlassen wir die Autobahn in Richtung Stadtzentrum. Bevor es für den Wagen in die Winterpause geht, geniesst Damian noch jede Minute am Steuer seines VW Käfers. Denn sobald die ersten Schneeflocken fallen, heisst’s für sein Lieblingsfahrzeug: ab in die Garage. «Das Salz ist das Problem, und die Rostgefahr. Die Karosserie bleibt die Schwachstelle eines jeden VW Käfers. Wenn der Wagen rostet, wird die Reparatur teuer.»

Der Chef der Hauptbuchhaltung achtet auf seine Ausgaben. Und doch lehnt der VW-Käfer-Fan wiederum jedes noch so verlockende Angebot ab: «Meinen Käfer würde ich nie verkaufen, auch für 100'000 Franken nicht». Sein Fazit: «Er ist unbezahlbar!».

Meinen Käfer würde ich nie verkaufen, auch für 100'000 Franken nicht. Er ist unbezahlbar!
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Zu Besuch

null in Euseigne

Zu Besuch in à Euseigne

Zu Besuch in Euseigne
mit Sylvia Sierro – Cina

Euseigne ist bei vielen eher als Durchgangsort denn als eigentliches Reiseziel bekannt. Dabei ist das Örtchen auf der Bergstrasse zwischen Vex und Evolène, das zur Gemeinde Hérémence gehört, durchaus einen Abstecher wert. Für Sylvia ist Euseigne mit seinen 400 Einwohnerinnen und Einwohnern weit mehr als ein Dorf; sie bezeichnet es als eine grosse Familie. Wir begleiten sie auf einer Entdeckungstour durch ihre Wahlheimat.

 

Ein absolutes Muss: die Pyramiden von Euseigne

Die Erdpyramiden von Euseigne sind als Naturdenkmal von nationaler Bedeutung anerkannt und stehen zuoberst auf der Liste der Natursehenswürdigkeiten der Region. Schweiz Tourismus bezeichnet sie sogar als «eine der bedeutendsten geologischen Sehenswürdigkeiten der Alpen». Die Erdfiguren mit ihren markanten Hüten sind ein äusserst beliebtes Fotosujet, davon zeugen die zahlreichen Aufnahmen im Netz und den sozialen Medien. Ob bei Nacht, im Schnee, im Gegenlicht, aus der Luft oder zwischen Nebelschwaden – die Pyramiden zeigen sich stets von ihrer schönsten Seite.

Sylvia erinnert dieses Naturdenkmal an einen Leuchtturm: «Die Türme sieht man schon von Weitem, sie zeigen einem den Weg nach Hause.» Augenzwinkernd fügt sie hinzu: «Irgendwie sind sie auch das Tor zu meinem Reich».

Sylvia erinnert dieses Naturdenkmal an einen Leuchtturm: «Die Türme sieht man schon von Weitem, sie zeigen einem den Weg nach Hause.» Augenzwinkernd fügt sie hinzu: «Irgendwie sind sie auch das Tor zu meinem Reich».

Eine historische Begebenheit: der Brand von 1917

«Eine traurige Nachricht», vermeldete der Le Nouvelliste vom 22. Dezember 1917. «Das gesamte Dorf Euseigne, im Bezirk Ering, steht in Flammen. Zum Zeitpunkt, als wir die Mitteilung erhalten, bleibt nur wenig Hoffnung, dass noch etwas gerettet werden kann.» Der Artikel erschien am Tag nach dem Unglück. Schliesslich hatte der Brand schwere Verluste zur Folge, wurden doch hunderte Gebäude dem Erdboden gleichgemacht. Glücklicherweise kamen keine Menschen ums Leben, doch über 50 Familien verloren ihr Zuhause.

Obwohl das Unglück nun schon lange her ist, bleibt es in den Köpfen der Einheimischen präsent. Zum 100. Jahrestag des Brandes im Jahr 2017 wurden die tragischen Ereignisse im Dorf nachgestellt. «Die Gedenkfeier wurde zu einem grossen Dorffest, es war ein sehr aufschlussreicher und schöner Anlass», erinnert sich Sylvia.

Seit dem Wiederaufbau zeigt sich Euseigne mit einem völlig anderen Gesicht. Im Ortskern rund um den Dorfplatz stehen heute mehrstöckige Häuser, die Abstände dazwischen sind grösser als früher. «Auch wenn du alles verlierst, ist es noch nicht vorbei. Du kannst alles wieder aufbauen und ein neues Leben beginnen», ist sich Sylvia sicher. «Aber dazu braucht es eine gehörige Portion Mut, man muss die Zähne zusammenbeissen und es anpacken wollen.»

Ein Geheimtipp: das Museum der Stiftung Fondation Robert et Mathilde Seppey

Das Museum der Fondation Robert et Mathilde Seppey ist dem Leben von früher gewidmet. An verschiedenen Standorten in Euseigne finden die Besucherinnen und Besucher rund 4500, teils seltene, Ausstellungsstücke vor – Zeugen einer anderen Zeit. Diese Antiquitäten, wie Spinnrad, Melkstuhl oder Butterfass, gehörten zum Alltag der Generation unserer Grosseltern. «Mit der Industrialisierung verschwanden diese Dinge», bedauert Sylvia, «darum ist es wichtig, sie zu erhalten, bevor sie ganz in Vergessenheit geraten».

In der Museumssammlung warten auch Kostüme, Fotos und Schriften darauf, entdeckt zu werden. Der leidenschaftliche Sammler Robert Seppey, der von 1920 bis 2013 und somit in zwei Jahrhunderten lebte, hat dieses Erbe hinterlassen, das nun von seiner Tochter Josiane und seinem Enkel Thierry weitergeführt wird. «90 % der Ausstellungsstücke stammen aus unserem Tal», erklärt uns Thierry. «Ziel meines Grossvaters war es, sie für die kommenden Generationen aufzubewahren. Das ist auch der heutige Zweck der Stiftung».

Manche Werkzeuge oder Gegenstände gibt es in verschiedenen Ausführungen, so finden sich im Museum eine ganze Reihe an Hobeln, Rechen oder Hüten. Auch die Geschichte der Beleuchtung wird erzählt, von der Fettlampe über die Talg- und Karbidlampe bis hin zur Petroleumlampe.

«Mein Lieblingsstück ist ein Schleifsteinköcher aus Holz», antwortet Sylvia. «Das weckt bei mir Kindheitserinnerungen. Als ich klein war, habe ich meinen Grosseltern oft beim Heuen geholfen. Den Köcher trug man am Gürtel, das war praktisch, um die Sense zu wetzen.» Josiane, die bei der Museumsführung mit dabei ist, fügt hinzu: «Im Patois nennt man den Holzköcher le covet».

 

Von Mai bis Oktober organisieren Josiane und Thierry auf Anfrage kostenlos geführte Besichtigungen und lassen die Besucherinnen und Besucher mit vielen Anekdoten in die alten Zeiten eintauchen. 

Eine originelle Initiative : die Backgruppe Le four des amis du pain

In Euseigne stellt man das Brot noch selbst her. Es wird von Hand geformt und dann im dorfeigenen Holzofen gebacken. 25 Hobbybäckerinnen und Hobbybäcker beteiligen sich jedes Wochenende von Mitte Oktober bis Mitte Mai am gemeinsamen Backen. Jede Woche backen zwei Mitglieder der Brotgemeinschaft nach einem festen Turnus das Brot für alle Vereinsmitglieder.

«Den Ofen haben wir in unserer Freizeit selbst gebaut», erzählt uns Paul Mayoraz, Mitbegründer der Euseigner Brotbäcker. Bis zu 10 Ster Holz verbraucht der Ofen pro Saison.

Diese originelle Initiative wurde vor 25 Jahren ins Leben gerufen und hat seither festen Bestand. «Das gemeinsame Brotbacken stärkt unseren Zusammenhalt und belebt das Dorf, das gefällt mir sehr», begrüsst Sylvia diese Tradition.

Diese originelle Initiative wurde vor 25 Jahren ins Leben gerufen und hat seither festen Bestand. «Das gemeinsame Brotbacken stärkt unseren Zusammenhalt und belebt das Dorf, das gefällt mir sehr», begrüsst Sylvia diese Tradition.

Das Abschlussbacken der diesjährigen Saison ist für den 7. Mai geplant. Wer sich das Schauspiel gerne mit eigenen Augen ansehen möchte, folgt ganz einfach dem unverkennbaren Duft von warmem Brot in den Dorfteil Plan de la Croix!

 

 

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